Wellenreiter

Das Schlingen der Wellen, die nachts zwischen den Inseln hin- und hergeworfen werden, das du fuehlst durch die Holzbank am Oberdeck, auf die du dich gekauert hast, und das du noch im Kaffeehaus spuerst neben dem Bahnhof, nach einem ganzen Tag ueber allen Wassern zwischen Dubrovnik und Rijeka, dieses Rollen und Schieben der Kraefte hat sich fortgesetzt im Fruehstueckskaffee, sodass du nachher beim Barbier kaum ruhig sitzen kannst und den Kopf hinhalten, und es dich beim Gang durch die neuerliche venezianisch-habsburgische Stadt in den Beinen zieht und dreht, die wieder von richtigen Stadthaeusern gerahmten wellenfoermigen Strassen hinauf und hinunter, und du immer noch eigentlich dich in Triest angekommen waehnst, ein Schwanken also auch in diese Richtung/

und was war denn das anderes zuletzt, schon als der Schaffner sich neben mich setzte und meine Nachbarn, portugiesische Studenten, als Terroristen bezeichnete, und sodann alle Kroaten, sich selbst aber als Cetnik, und ausserdem ein wenig verrrueckt, und mit den Augen dazu rollte, dass ihm keiner widersprechen wollte,
und erst recht, als wir ausstiegen und sofort von alten Damen umringt waren, die ihre Gaestezimmer in hohen Toenen und im besten Englisch anpriesen, waehrend oberhalb der Haeuser schon ein Buschfeuer wuetete, das mich spaetestens haette misstrauisch machen muessen, ich mich aber dennoch schliesslich einfangen liess und ihr folgte, bis ich, nach Stunden der Stadtbesichtigung, wieder unter Gebruell hinausgeworfen wurde, weil ich den inzwischen verdoppelten Preis nicht zahlen wollte, und als ich, den Rucksack wieder umgeschnallt, wiederum durch die Stadt trabte, schien es mir, als waeren alle alten Maenner der Stadt ein- und derselbe, denn alle blickten mich gleich vorwurfsvoll und verstaendnislos an und sahen dabei auf die Uhr, wie lange ich wohl noch hier bliebe/

trotz vieler Fehlleitungen erreichte ich doch die Jugendherberge und bekam ein Bett neben 6 anderen, mit stinkendem Gewand ueber den Boden verstreut, aber die Mitbewohner kamen erst nach und nach einzeln schweigend, nach Mitternacht, waehrend eine ganze Schar von Schuelern, Maedchen und Buben, um 1/2 1 unter lautem Geschrei, Gelaechter und Tuerknallen in die Nebenraeume einzog, bis ich wutentbrannt in der Unterhose hinueberlief und sie auf Englisch zurechtwies, bis die Kinder ruhig wurden und die Betreuer betreten zu Boden sahen oder ins Leere, auch am naechsten Tag noch, beim Fruehstueck/

und das Schiff selbst wie ein Jahrmarkt, eine Buehne fuer skurrile Gestalten, die unter der Sonne aufzogen und sich da und dort niederliessen, in deutschen und amerikanischen Toenen zumeist, beginnend bei jenem aelteren deutschen Paar, das sich neben meinem Rucksack aufgepflanzt hatte, als ich eine Wasserflasche holen war, und mich von der Bank weisen wollte, junger Mann, hiess es, bis zu den finnischen Burschen und Maedchen, die, auf Matten am Eisenboden gelagert, lautlos Karten spielten, oder jener jungen Frau, die auf der Nebenbank las wie ich, und deren kleine Tochter mit grosser Anteilnahme die Vorgaenge am Schiff beobachtete, die aber, als ich sie bat, meinen Rucksack zu beobachten, nicht einverstanden war, wie auch jenes freundliche Paar gegenueber, die sich zwar bereit erklaerten, aber nach 10 Minuten im Speisesaal gegenueber von mir Platz nahmen mit derselben freundlichen Mine wie zuvor, und mich also wiederum preisgegeben haben, was fuer ein Tag/

und wenn du Mutter und Toechterchen nocheinmal am Bahnhof, zum Fruehstueck und dann auch noch in der Kirche wiedertriffst, ohne dass ein Wort gesprochen wird, dann siehst du, dass du, den Kraeften des Grundes ausgesetzt, wohl allein bestehen musst, auch im Taumel der Heimkehr
Nachtlicht - 31. Aug, 22:54

Rose Ausländer: Gemeinsam

Vergesset nicht
Freunde
wir reisen gemeinsam

besteigen Berge
pflücken Himbeeren
lassen uns tragen
von den vier Winden

Vergesset nicht
es ist unsre
gemeinsame Welt
die ungeteilte
ach die geteilte

die uns aufblühen läßt
die uns vernichtet
diese zerissene
ungeteilte Erde
auf der wir
gemeinsam reisen


Herzlich willkommen, Weichensteller!

weichensteller - 1. Sep, 10:28

Danke, Nachtlicht,

fuer deine Wiederaufnahme zu Hause und das gemeinsame letzte Stück Wegs und für deine nächtlichen Ausländer-Worte!

Und danke allen Lesern, ich reise zum ersten Mal GELESEN,
(Und meine Umlaute sind wieder rund geworden: ich bin angekommen)

offenesherz - 2. Sep, 16:24

Danke, Weichensteller

es war wirklich schön Dich zu begleiten, deine Fotos, Beobachtungen, Texte...

Ich bin auch wieder zurück von meiner stillen Reise.
Habe ein Mitbringsel von Andreas Gryphius:

Mein sind die Tage nicht,
die mir die Zeit genommen.
Mein sind die Tage nicht,
die erst noch werden kommen.
Der Augenblick ist mein,
und nehm’ ich den in acht,
so ist ER mein,
der Zeit und Ewigkeit gemacht.

Mit einem lieben Gruß!!!
SCHLAGLOCH - 4. Sep, 14:16

Hallo Weichensteller! Ein stimmungsvoller Text,

wo auch für einen Landmenschen die Kräfte des Wassers, des Meeres, spürbar sind. Die Wellen setzen sich fort am Land, in der Stadt, im Leben. Das Getragen werden voll Selbstvertrauen, voll Vertrauen auf wen, auf stürmischer See. Dann gerät man an die Verräter, die Wache halten sollen, ehe der Hahn dreimal kräht. Die Menschen honorieren nicht das Vertrauen, man bleibt im Grunde allein, ist es auch nur eine Reise.

Gruss schlagloch.

weichensteller - 4. Sep, 22:00

Danke, Schlagloch,

genauso war das gemeint, Getragenwerden/Vertrauen/Einsamkeit. So stellt sich für mich auch die Rückfrage dar, über die wir zuletzt geschriebnen haben: VOM GRUNDE.

Die Weiterführung mit Hahn/Verrrat eröffnet neue theologische Perspektiven!


Übrigens: Die vorgestern besprochene Variante Tod/Literatur beginnt sich zu erhärten, braucht aber bis zur Klärung noch ein paar Tage.

Liebe Grüße vom weichensteller
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