Vom Ende und dem Rest der Dinge

Montag, 26. Mai 2008

Die verhaltene Sprache Georgiens

Bakuriani, Georgien

Bakuriani

Bakuriani

İN DEN BERGEN lernten Data und ich, ohne Worte zu spielen. Wir schnitten Figuren aus Papier aus und spielten nach den Zeichentrickfilmen vom Vortag. Und Tamars Mutter hatte im Nu wieder all ihr Deutsch zurück aus Kindertagen.
Lachend und in großen Zügen atmend sind wir durch den Park von BAKURIANI gewandert, Mutter und Tochter voll Erinnerung an sowjetische Zeiten, das Kind - wie Tamar immer sagt - voll Bewegungsdrang.
Bakuriani, der mondäne Kurort aus der Zarenzeit, die angesiedelten Ukrainer haben Holzhäuser hinterlassen, und Schweine wühlen im Straßenrand, und Kühe, die mir kaum zum Nabel reichen, trotten über Wege heimwärts zur bestimmten Zeit, als kämen sie aus dem Gasthaus.
Ob man diese Vergangenheit los wird, wenn man sie verfallen lässt wie die Schilifte und rosten. Und was dann.



Inga Gabojan, Tbilissi, Georgien

INGA GABOJAN. Ihre Ahnen waren 1896 aus Kars geflohen, bevor die Jungtürken an die Macht kamen. Sie kamen nach Gümri im heutigen Armenien, gingen 1905 aber wieder zurück nach Kars. Urgroßvater Erzurumzi Arsumanjan war Priester, sein Name ist seit 1013 nachgewiesen. Die Urgroßmutter stammte aus einem Adelsgeschlecht, ihre Eltern waren Politiker. Im Jahre 1915 wurde in einer einzigen Pogromnacht die gesamte armenische Intelligenz ausgelöscht, 300.000 längst ausgewählte Menschen wurden mit Krummmessern ermordet. Am nächsten Tag begann die Massendeportation. Talaat Pascha forderte zum erbarmungslosen Massenmord auf. Heute wollen die Türken eher davon profitieren, wenn sie reiche Armenier im Lande haben. Damals gab es Hass gegen Reichtum und Christentum.
Inga spricht von 1,8 Millionen ermordeten türkischen Armeniern von insgesamt 2 Millionen.
Ihre Urgroßeltern hatten 10 Kinder. Urgroßmuter nahm auf der Flucht noch vier oder fünf fremde Kinder auf, adoptierte sie und nahm sie mit nach Gümri. Sie war reich und konnte sie alle versorgen, bis jedes einzelne verheiratet war. Später ging man nach Tbilissi, wo Urgroßvater als Priester in der Edschmiazinkirche arbeitete. Urgroßmutter wurde 99 Jahre alt.
Ihre Söhne dienten alle im 2. Weltkrieg in der Roten Armee. Ein Sohn kam als Kriegsgefangener nach Deutschland, wo er ins KZ gebracht wurde – Inga weiß nicht, in welches. Urgroßmutter hatte intensiv gebetet. Alle anderen dienten bis Kriegsende, kamen zurück und wurden sehr alt.
Großmutter heiratete einen reichen Fabrikanten aus Eriwan. Dessen Vater und Onkel waren 1917 reich von Frankreich zurückgekommen und überlebten versteckt. Später waren sie nach Tbilissi geflüchtet, die Kinder wurden bereits dort geboren. Ingas Mutter wurde 1942 geboren. Während der Stalin-Repressionen überlebte sie versteckt. Später gründete die Familie eine Fabrik.
Ingas Großmutter hatte sich an die Flucht aus Kars erinnern können, die sie als Kind miterlebte. Damals schor man die Frauen kahl, bemalte sie schwarz und zog ihnen Männerkleider an, um sie zu schützen. Rosenberg hat die faschistischen Methoden beschrieben, die Deutsche und Türken gemeinsam anwendeten. Bevor man Menschen in Gaskammern ermordete, brachte man sie in der Türkei um durch Ersticken im Rauch von Strohfeuern. Österreich und Schweiz hatten für Armenien Partei ergriffen, später protestierte Österreich dagegen, die Türkei in die UNO aufzunehmen, gemeinsam mit Papst Benedikt!
Inga ist stolz, dass Armenier das Christentum nicht aufgegeben haben. Auch die, die flüchten konnten, haben gut gearbeitet und im Exil wieder eine Existenz aufgebaut. Inga sagt: Gott quält, die er liebt. Die Juden, und die Armenier. Dass sie wieder aufgekommen sind, liegt an ihrem treuen Gebet.
Nach dem Krieg warteten die Armenier auf internationale Reaktionen auf den Genozid, und als nichts kam, begannen Racheaktionen gegen türkische Beamte. Andere kritisierten Racheaktionen. Die Juden haben die USA als Schutzmacht, und die Armenier? Haben Gott, sagt Inga. Gott wollte ihre Auslöschung nicht, darum lebten sie wieder auf und sind zahlreich und erfolgreich. Jetzt ist Inga arbeitslos wie viele in Georgien.
In der UdSSR war der Genozid ein Tabuthema. Man wollte einen Dokumentarfilm machen, aber Moskau lehnte ab. Und so passierte die Geschichte nocheinmal in Berg Karabach. Aseris überfielen Krankenhäuser und massakrierten Armenier, es gab Pogrome 1991, als nach dem Zerfall der UdSSR die Staaten neu erstanden. Aber Armenier wurden auch aufgenommen und von Nachbarn beschützt.
Inga war katholisch geworden: In der Sowjetzeit war Religion unterdrückt. Später war sie in die Edschmiazin-Kirche in Tbilissi gegangen, die Kirche ihres Urgroßvaters. Aber die Georgier schickten sie weg, die einzige Kirche, die sie aufnahm, war die katholische. Ihre älteste Tochter ministriert seit sieben Jahren. Es war ihre eigene Entscheidung. Die katholische Kirche arbeitet hier in Tbilissi sehr erfolgreich. Es gibt eine Caritas, und die Schwestern der Mutter Theresa engagieren sich sehr für die kleinen Leute. Vor zwölf Jahren wurde Inga katholisch. Sie studierte ein Jahr lang die Bibel, dann konvertierte sie. Zuvor war sie armenisch-gregorianisch gewesen, und sie akzeptiert den Vorwurf der russisch-orthodoxen Kirche nicht, der Papst werbe Proselyten, denn sie wurde nicht abgeworben. Die orthodoxe Kirche bemühe sich nicht um das Verständnis der Menschen, sondern feiere zunehmend unverständliche Rituale. Die katholische Kirche lege dagegen auf das eigene Verstehen wert.
Inga freut sich, dass Armenier nicht durch Kriege berühmt wurden, sondern durch geistige Leistungen. Stolz zählt sie berühmte Wissenschaftler und Kulturträger aus aller Welt auf, wie Gregory Peck, der Nasar Bekian geheißen hat, Charles Aznavour, Andri Vernei, Michel Uganiani oder Herbert von Karajan.

*

WAN BAYBURT, Abgeordneter des georgischen Parlaments, kommt gerade von einer Reise in die Türkei zurück und hat Neuigkeiten erfahren. Die Armenier würden nicht zurückbekommen, was sie verloren haben. Und die Türkei gebe den Wunsch auf, in die EU aufgenommen zu werden. Die türkische Wirtschaft sei auf die USA hin orientiert, die Politik würde sich nach den USA richten. Früher oder später würde die Türkei aber den Genozid anerkennen müssen.
Bayburt war gerade in Kars, Van und Baybaschi. Die Türken hätten ihn immer gefragt: Sind Sie zurückgekommen, um ihr Gold auszugraben? Die Türken seien jetzt freundlich zu ihm, obwohl sie nicht wussten, dass er Abgeordneter im georgischen Parlament ist. Akdamar wird jetzt von den Türken renoviert, von einem Professor der Universität in Ankara. Bayburt hat von dort den armenischen Patriarchen in Edschmiazin angerufen.Er hat das Haus seiner Mutter in Van, und das seines Vaters in Bitlis, seines Großvaters in Bayburt gefunden. Er hat die Rückseite des Ararat gesehen. Am Berg ist eine türkische Militärbasis: er hatte von Eriwan immer ein starkes Licht gesehen am Berg. Man werde den Genozid anerkennen müssen, man brauche Geduld und Mut. Auf meine Nachfrage nach dem unbelehrbaren armenischen Optimismus trotz unzähliger Enttäuschungen meint er: Wir sind wie ein Haus, das aus Beton herauswächst. Die Armenier werden im Widerstand kräftiger.
In Georgien gibt es 500.000 Armenier mit eigenen, staatlich finanzierten Schulen, eigenen Zeitungen, Theater, Fernsehen und Radio, und im georgischen Radio sind regelmäßige armenische Sendungen. An der Universität ist eine armenische Abteilung. Georgien hat den Genozid noch nicht anerkannt, es sind erst 23 Staaten, die ihn anerkennen. Wenn die USA den Völkermord an den Armeniern anerkennen, wird sich Georgien am folgenden Tag anschließen, ist Bayburt überzeugt. Atiom Organanijan ist Lektor der Universität Wien und beim ORF tätig. Er versuche, das Thema lancieren.
Die Zukunft Armeniens? Das sei schwierig, weil der Weg nach Westen nur durch Georgien führt. Die Türkei müsste kompromissbereiter sein, aber auch Armenien. Die Beziehungen zu Russland sollten verbessert werden, Armenien könne eine Plattform für Russland im Kaukasus sein. Armenien produziert vieles selbst, etwa 50 % der Produktion in der Sowjetzeit, das wäre weit mehr als in Georgien, wo die Industrie sich nach der Befreiung noch nicht erholt habe. Armenien wolle zur Nato, wie auch Georgien. Die Nato habe aber der Türkei gegen Zypern geholfen, sie vertrete keine christlichen Werte, nur pragmatische Interessen. Die Beziehungen zum Iran? Im 5. Jht. konnten Byzanz und Persien Georgien und Armenien nicht erobern, sie teilten die beiden Länder unter sich auf. Jetzt versuchten die Türkei und Russland dasselbe. Armenien und Georgien seien die christlichen Bastionen vor Europa – wenn sie fallen, sei der Islam in Europa.

Wan Bayburt, Tbilissi, Georgien

*


ÜBER TBILISSI. Wo gibt es das: Dass ein kleines Grüpplein von Eigensinnigen seinen Weg bahnt durch die Monumente, Baustellen und Buckelpisten, Kirchen und Museen studiert und des aufgeregten Austauschs nicht müde wird, all die Hoffnungen und Enttäuschungen dieses Landes, von allen Seiten betrachtet. Auch von oben, wo Zigarettenmarken mit westlichen Gesichtern werben. Von den Anhöhen, die die Stadt umgeben, von den Holzhäusern des Volkskundemuseums, oder aus einer stillen Gasse beim Fluss mit dem unaussprechlichen Namen, die vormittags noch zu schlafen beliebt. Aus den Kirchentoren, aus dem Fenster des gelben Fiat. Im Cafe an einem der belebten Plätze wird eine Armenierin erwartet, die ihre Geschichte angekündigt hat, von der Urgroßmutter, die all die schreckliche Zeit erlebt hat in Kars, schon 1896, und 1916 noch einmal. Die ihre zehn Kinder mitgenommen hat auf der Flucht, und noch vier oder fünf fremde, um sie alle zu retten. Und die sie alle untergebracht hatte in Berufen und gegründeten Familien, und die noch 99 Jahre alt geworden war. Da erstand, als sie erzählte, ein Bild von Größe und Kraft, und nicht Klagen, worauf ich gefasst gewesen wäre, im Geiste stark, und sie zählte auf all die Musiker, die Dichter und Schauspieler, die Armenien der Welt geschenkt hatte, Gregory Peck, der Nasar Bekian geheißen hatte, oder Charles Aznavour. Es war kein Bild für die Augen, keine Größe, die einmal fertig ist, oder die sich in dem oder dem manifestiert: kein Reichtum, auf der Not anderer gebaut, keine politische Hegenomie. Die Größe der Armenier schien geschrieben in Glaube und Arbeit.
Und so waren jene Tage in Tbilissi, dass gerade, als ein Hauch jener Größe uns in der staubigen Hitze Ermatteten zu erfrischen begonnen hätte, Inga aufsprang und aufgeregt auf einen älteren Mann hinwies, der hinter uns sich anschickte, eine Zeitung zu kaufen. Scheu sprach sie ihn an und führte stolz Van Baiburt an unser Tischchen, den armenischen Abgeordneten im georgischen Parlament! Er, von dem sie schon erzählt hatten, er wäre an einem bestimmten Datum während der Parlamentssitzung aufgestanden und habe gesagt, heute sei der Jahrestag des großen Pogroms an den Armeniern, und alle Parlamentarier hätten sich zu einer Gedenkminute erhoben. Er, dessen Zeitungsartikel mit Spannung erwartet würden. Er war gerade von einer Reise in die Türkei zurückgekommen und habe die Geburtshäuser seiner Eltern besucht, zum ersten Mal. Er blätterte in der eben gekauften Zeitung den Bericht dieser Reise auf, mit Fotos von ihm, von Landschaften und Häusern. Denn es war so: Während ich erschüttert in den Ruinen der armenischen Kirche gestanden war inmitten von Diarbakir oder den christlichen Stadtteil von Urfa, Edessa vermisst hatte zwischen dem kurdischen, arabischen und türkischen, da war er bereits in der Hoffnung unterwegs gewesen, was heute schon möglich wäre. Die Türken wären es, erzählt er mit verschmitztem Blick, die heute die armenischen Fresken in Akdamar renovierten, sodass er beinahe nicht hineingelassen worden wäre. Eine erlittene Größe, keine erzwungene. Hatte nicht Inga Tränen in den Augen gehabt, als ich von dem Ultimatum Europas an die Türkei erzählte, bis Jahresende Zypern anzuerkennen und die Armeniergräuel, dass sie das noch erlebe, ein Hoffnungsschimmer, den Bayburt jedoch sogleich wieder abschwächte, denn er habe gehört, Europa sei keine dringende Option mehr für die Türkei.
Wieder hat das Wesentliche durch die Tür gelugt, schon zuvor am Ufer des grünen verschmutzten Flusses mit dem unaussprechlichen Namen, als nämlich von drüben auf einer Felswand thronend die Metekhi-Kirche herunterlächelte, besonders, weil meine Begleiter allein gar nicht in diese touristische Vergnügungsmeile hineingegangen wären, sich aber dann doch zu einem Eiscafe überreden ließen, und dann wieder, als wir einer georgischen, der Zionskirche verwiesen wurden von einer Mesnerin, wegen Tamars nackter Schultern, und sodann zwei gerade schließende Museen besuchen wollten. Aber als die armenische Geschichte in der georgischen Hauptstadt einen Ruck machte an unserem Kaffeehaustisch, zu dem die misstrauische Kellnerin immer wieder versteckt hinüberlugte, da hat es einen Fuß in die Tür gestellt. Soviel Ereignis an einem Tag. Als dann noch Inga begeistert mir erzählte von ihrer Konversation zum Katholizismus, der ihr Freiheit und menschlich Angenommensein brachte. Und von den Kindern, die seit sieben Jahren ministrierten und nun schon die Alba tragen dürften. Als sie hörte von meinem Plan, ihre Geschichte zu veröffentlichen. Oder von der Geschichte des armenischen Komponisten in meiner Heimat, der die Christi Himmelfahrtsmesse komponieren würde. Da stürmte es in unseren Ohren, rutschten wir in unseren Stühlen, konnten selbst im engen stickigen Auto noch nicht zu reden aufhören, und niemand hatte daran gedacht, ein Fenster zu öffnen. Das Wesen als Anteilnahme. Dass da einer kommt vom Westen, um ihre Geschichte anzuhören. Dass ein Interesse ist, dass man wissen will, was war. Die Anteilnahme wie ein Erdbeben: Die Anerkennung der Wirklichkeit, die stattgefunden hat, würde Millionen Lebenden und Toten ihre Existenz zurückgeben. Und wie ich nun begriff, dass Anteilnahme ein zuinnerst christliches Ereignis war, wir, Getaufte auf den Gott, der an der Menschenwelt sosehr Anteil nimmt, dass er sich ihr ausliefert auf Leben und Tod, könnten unmöglich das Weltgeschehen teilnahmslos sich selbst überlassen wie bisher, Anteilnahme schaffe Leben, plötzlich hatte ich es vor Augen und wusste auf einmal, warum ich mich daheim abmühte für das bisschen Interesse. Anderes gibt es nicht. Bleib unberührt und lass es dir gut gehen, wenn du kannst. Aber es wird dir stecken bleiben. Das Wesentliche ist bereits zu weit vorgedrungen, es ist unwiderrufbar eingetreten und hat sich festgemacht. Also. Diese Antwort auf die Frage nach dem Wesen. Ob wohl Thales und Heraklit das zugeben würden. Anteilnahme als Wesen, Prinzip und Urgrund der Welt. Anaximander vielleicht eher, er redet vom Unbegrenzten, vom Unbeschränkten als Ursprung der Dinge, nicht mehr Feuer, Wasser, aber gleichwohl von den Gegensätzen, die ein Nichtbegrenztes voraussetzten: ihr Prinzip und Ursprung. Nur haben sie noch nicht personal gedacht.




Zum Genozid an den Armeniern in der Türkei:
http://www.kath-kirche-kaernten.at/pages/pfarre.asp?id=714&pageid=7554
http://www.kath-kirche-kaernten.at/upload/31142_Minderheiten%20in%20der%20Türkei%2001.pdf

Mittwoch, 18. Juli 2007

Das Land aus Stein

Ich habe ein Land gesehen, ganz und gar aus Stein. Wie die eiserne Stadt, wie die Betonstädte, die gläsernen Bauten, die Plastikmeere. Zuerst die Keilschrifttafeln, unterhalb der uratäischen Burg, wo mir vor Jahren meine Geldbörse gestohlen worden war mit dem Führerschein und der Bankomatkarte. Ich hatte die Inschriften studiert und den Rucksack ein paar Schritt weiter oben stehen lassen hinter dem Torbogen, ich war ja ganz allein im Gelände. Später, im Museumsgarten von Van, hatte ich die ersten Steinkreuze gesehen, armenisch, aber schon aus der Bronzezeit. Die Christen haben das Kreuz nicht erfunden, das Kreuz war zuerst da.
Doch das erste, das ich vielleicht von diesem Land wusste, war der heilige Berg in seiner MITTE. Nach diesem Berg hatte ich meinen Religionslehrer gefragt in der Volksschule, und er hatte es nicht gewusst zuerst, der Herr Kaplan hatte das Lied nicht gekannt von Noah und sich nicht für den Berg interessiert. Den steinernen Berg. Kaum Schnee auf seinem steilen Kratergipfel, jetzt im August. Auch Armenien ist wärmer geworden.
Aber als ich dann, wirklich im Land, die Chatsch`khare gesehen habe, wurde auch mir warm. Steinerne Kreuze, Monumente im ganzen Land. Immer im gleichen Format, hohe, schmale Steintafeln, der größte Teil von einem kunstvoll verzierten Kreuzrelief ausgefüllt, darunter eine Zeile mit einer Sonnenscheibe oder zwei weiteren Kreuzen, wie die der beiden Verbrecher links und rechts neben dem Heiland. Und Ornamente ringsum, manchmal auch eine biblische oder Heiligengeschichte. Aber der Geschichte, treuherzig von den Buchführern oder der Führerin im Museum zu Eriwan vorgetragen, misstraute ich. Das war nicht nur reine Demonstration des christlichen Glaubens. Wen hätte man in diesem christlichen Land überzeugen müssen, durch tausende Male. Vielleicht die Mongolen oder die Seldschuken. Ich halte die Steine für Transformationsmarken. Übersetzen das heidnische Sonnenkreuz ins Armenisch-Christliche. Und es hängt kein Christus dort. Es gibt keinen Kreuzweg in Armenien. Christus leidet nicht. Die Chatsch`khare wenden das Heidnische ins Christliche. Es sind Umwender, die sich beschwörend zur Sonne hinneigen. Das kann ein Stein, ein Steinmal. Als ich einmal den Hafner bestieg an einem Sommernachmittag, da war ich überrascht von unzähligen Steinmännchen am Gipfel, auf einer 3.000 Meter hohen Fläche, die man queren muss zum Gipfel hin, kleine Steintürme, wie Mahnmale, an einen Friedhof hatte ich nicht gedacht, es war eine Präsenz von etwas, etwas Ungenanntem, das fühlte ich und sah hinunter ins Salzburgische und auf der anderen Seite ins Kärntnerische zurück. Solche Male nun in der Ebene. Gewiss, bei uns stehen Gipfelkreuze, hässliche, aus Alublech sogar, wie Blitzableiter, weithin sichtbar. Aber dass Chatsch`khare Kreuze sind, siehst du nur aus der Nähe – wenn du davor stehst. Sie stehen an Straßen, an Wegen, Kreuzungen, auf Wiesen, vor Kirchen, Klöstern, manche sind in Klostermauern, helle Steinmale in dunklen Mauern, nach außen gewendet, oder auch nach innen, als wären es Grabplatten ohne Namen. Diese unzähligen Monumente im ganzen Land. Und keine zwei gleichen. Als müssten sie seit Jahrhunderten, Jahrtausenden armenischen Geist bekehren.
Vielleicht ist es derselbe Gedanke, der im Land die Steinhäuser gebiert. Alte, neue, sogar in den Städten: nicht Glas, nicht Aluminium, auch nicht Holz, niemals Lehm, kein einziger Ziegel, immer wird in Stein gebaut, braun, grau, grünlich, rötlich, der Stein. Oder vielleicht braucht man die Glut der Vulkane. Im sowjetischen Kino, in der Staatsoper, in der Philharmonie. In Banken, Wohnhäusern, Geschäften. Selbst Internet-Cafes, ob klimatisiert oder nicht. Die Kirchen sehen aus wie aus Bauklötzen zusammengefügt, mörtellos, fugenlos, geradlinig. Aber ich habe das als Täuschung erkannt. Innen sind sie rund wie eine Höhle. Derselbe Stein? Nein,
Und am Ende: ihre Ruinen fügen sich in die Berge ein, werden wieder zu Stein zurückverwandelt, man kann zuschaun, im Geröll, in den Trümmerhügeln noch einige Mauersteine, gerade noch erkennbar. Vielleicht ist Armenien nicht aus Ackerboden gemacht, sondern aus Fels, und geht dahin zurück. So ist ein Ende.

032_33

027_27


023_23

Freitag, 6. Juli 2007

Hinter dem Burgberg

sei Abrahams Geburtshöhle, und auch das Grab des Propheten Hiob wird verehrt dort.

Kein Schild, keine Markierung, wir tasten uns durch die engen steilen Gässchen hinunter, hinauf. Man will uns immer wieder umleiten, um die Wohnbezirke herum, wir nicken und setzen unseren Weg fort, sparsam mit dem Atem bei der Hitze. Über Pflasterstufen. Entlang ballspielender Kinder. Frauen schauen uns scheu nach, von unserem Auftauchen hinter dem offenen Hofttor überrascht. Ein über die Stufen gegossener Abwasserkübel, Unrat entlang des Weges. Mancher Schelm ringt um eine vorlaute Frage, um irgendein schnelles Geschäft, doch wir sind schon um eine Ecke.
Dann oben angekommen, weiter Blick:
In die Urzeit von Ur


Am Nachmittag nach HARRAN. Klemen, Marscha und ich im Dolmus, eine Stunde entlang mesopotamischer Teeplantagen. Wir halten bei einigen Hütten und wimmeln jugendliche Führer ab. Und dann schreiten wir auf das Stadttor zu, auf alte, brüchige Mauern, und dann den leeren Hügel hinauf. Unbeschreibliche Hitze hier, kaum ein Luftzug, kein Flecken Schatten. Die Ruinen der Moschee am gegenüberliegenden Fuß des Hügels, der Zitadelle auf der anderen Seite. Dazwischen dürres Gras, Staub. Die warme Wasserflasche in der Hand, den Fotoapparat umgehängt. Keine Bewegung zuviel, kein Wort.
Dann von weitem die seltsamen Häuser. Aus Lehm, wie Schwalbennester entlang des Hügels. Der Eingang ist offen, wir treten in den Hof, es ist eine Art Museum, wir sehen den Stall, die Küche, die Wohnhäuser. Kühler hier, mit Teppichen, Geräten, fein eingerichtet. Später sehen wir die gleichen Häuser bewohnt, belebt, mit Ställen, Mauern aus Lehm oder Beton, aber immer wieder die Schwalbennester, Männer, Frauen, Kinder gucken heraus, ein Esel schreit, Pferde traben durch die sandigen Gassen. Wir gehen die Burg entlang, ein Türke sieht uns, ruft „Fünf Lira!“, wir winken ab, gehen weiter, er meint, schon für den Blick von außen müssten wir zahlen, wir lachen, gehen, er schimpft, rennt uns nach, wir lachen, schimpfen zurück, kommen ins Dorf, Ruhe, Stille, Schafe vereinzelt. Draußen auf der Straße das eine oder andere Auto, diese Kleinbusse, vollgestopft, wir gehen, die Hitze, krebsrot inzwischen, warmes Wasser hineingegossen immerzu, weitergehn, um das Dorf herum, Plantagenarbeiter im Tee, eine Frau läuft mit einem Kübel zu ihnen, lachend uns zugewandt. Das war uns Harran – und Gottes Ankündigung für Abraham? Überhört


It is said, that behind the castle’s hill Abraham’s birth-cave and prophet Hiob’s burial can be found. Again, no signs, no marks. We walk through steep lanes down and up. One tries to lead us elsewhere, out of the housing quarter. We nod and continue, try to recover breath in the heat. Over paving-stones and stairs. Along ball-playing children, women gaze after us shyly, surprised by our appearance behind the open yard-door. A tub splashed over the stairs, waste along the way. Daring questions regarding any kind of quick businesses – but we are already around the next corner.
Finally, arriving on the top. A wide view - in the ancient time of Ur.

TO HARRAN in the afternoon. Klemen, Marsha and me in the Dolmush, one hour along Mesopotamian tea-plantations. We stop at some huts and brush off children guides. Later, we walk to the town gate, to old fragile walls, then up the empty hill. Indescribable heat, no breeze, no shadow. The ruins of a mosque on the other side of the hill, the citadel opposite to it. In between dry grass, dust. The warm water-bottle in the hand, the camera under the shoulder. Don’t move to much, no word.
In the distance: Loam houses, like swallow’s nests on the hill. The entrance is open; we come to a yard which is a kind of museum. We see the stable, the kitchen and the living rooms. Cooler here, with carpets, tools, pretty fit up. Later, we see the same house housed, by people and animals, walls made of loam or concrete. Everywhere that house like swallow’s nests. Men, women, children, a donkey braying, horses trot through the sandy lanes. We pass the castle, one Turk shouts „Fife Lira“. We wave, continue our way. He says, we even have to pay for the gazing. We laugh and continue. Insulting he follows us. We laugh, shout back and reach the village. Silence. Single sheep sporadically. On the road one car or another, these little busses. We continue, red-skinned meanwhile, warm drinking water.
The village. Plantation workers in the tea. A woman running after them with a tub laughs towards us. This was Harran to us – and God’s announcement to Abraham? Missed?



MARCHING INTO DIYARBAKIR under maximum public notice of police, armoured cars, soldiers with demonstratively shown guns and riot sticks. Soon found a cheap hotel. Guided by boys, we must have looked confused, even policemen lead us, shurly not from here. A good dinner in a cantina, a waiter especially for us, speaking English. Life in town seems to be normal while under occupation. Loud and busy like any Turk city, only Curdic. A calm morning of farewell with the Slovenian couple in a café. After that two or three churches in the old part of town. The Armenian one surrounded by high walls, many pillows but no roof, as just burnt down. It’s hard for me not dig for candle-lamps or icons in the sand. A woman with children swarms around me. She wants to show me something, wants money. I do not listen, observe the ruin: in those churches women and children were locked and burnt alive. I escape through angular lanes, followed by children.
While looking for the other church I am found by a woman. She speaks friendly with me. How often does this happen in Turkey? Soon I am sitting in her yard. One of the two Christian families in this town. Her father, the sacristan, interrupts his work at the market and guides me to the church, the monastery. Back in the yard, children, aunts appear one by one. Attractive women, these four sisters, free and easy. We speak about the persecution of the Christians in 1915, in German language; the young man lived in Germany with the daughter of the house. He is satisfied with my level of information, respects my priesthood.
I held my breath: how they speak about spirit. Human spirit which raises men and lightens the world to them. They miss spirit here, life is obstinate here, they only come in summer. What could grow here without spirit? I prick up my ears:
Maybe this is the bridge from housing to existing: this yard

Von der Landmauer herunter gesprochen

DSC00909


HIER IN KARAKÖY, am Hafen, mit dem Blick auf den dichten Schiffverkehr am Goldenen Horn und am Bosporus, könnte vielleicht das Wesentliche gefunden werden. Denn man kann dem Restaurantbesitzer zusehen, wie er die Passanten anspricht, und muss ihn nicht als lästig und aufdringlich abwimmeln. So wird man ein Teil davon. Wenn dann z.B. ein griechischer Pope im schwarzen Kaftan erscheint und eine kleine Gruppe von Männern begrüßt, die ihm alle die Hand küssen, und er sich nach kurzer Unterredung grußlos umwendet und weggeht, dann könnte man die Blicke der Gäste im Restaurant verstehen, vor allem aber den Wirt, der plötzlich dabeigestanden ist und jetzt auf die Zurückgelassenen munter einredet.
Oder wenn da ein Mädchen vorbeikommt mit einer Papiertüte unterm Arm, aus der ein winziges schwarzes Katzenköpfchen hervorlugt, und, als ich hinsehe, lautlos klagend dass Mäulchen öffnet – dann kann man dem Mädchen zuzwinkern, und es lächelt zurück.

Was das alles mit dem Wesentlichen zu tun hat?
Dass ich keine drei Mahlzeiten brauche am Tag.
Dass ich um 6 Uhr aufwachen kann, gleich wie lang der Abend war.
Dass ich unbehelligt bleibe von den Hinterfragungen durch die Reiseteilnehmer.
Dass ich es manchmal schaffe, drei eigenständige Gedanken zu denken am Tag. Und wenn nicht, dass ich jeden Tag eine oder zwei große Geschichten anreiße und darauf rechne, dass ich sie zu Ende führen kann einmal, oder am Ende verknüpfen. Und dass am Ende eine Einsicht steht.
Aha, so ist das.
So staunt doch darüber, dass dieses Große sich euch mitteilt.
Warum denn die Menschen soviel Angst haben vor Großem.
Lieber streiten sie sich um Sitzplätze, als Heraklit von Ephesus zuzuhören. Wahrscheinlich war der auch zu unleidlich.
Wie können euch die großen Schiffe Größe lehren, die draußen am Bosporus stumm vorbeigleiten, wenn ihr vor lauter Geschwätzigkeit nicht hinseht.
Oder wie die Tempel dieser Stadt, wenn ihr nach der Sperrstunde kommt.
Oder wie sogar mein Freund Mete, der euch durch Galata führt und euch das Erbe der Geschichte erklärt, für das er lebt und kämpft als einzelner gegen die Millionenstadt, wenn ihr auf die Uhr seht.

Und wisset: soeben, als ich das schrieb, hat der ganze Kai zu schwanken begonnen, als des angekommenen Schiffes mächtige Wellen das vertäute Peer hoben und senkten. Das nehme ich als Bestätigung, dass es wahr ist:
Wir sind bei der GEBURT DES CHRISTENTUMS dabei gewesen und haben mit der Mutter gesprochen.

http://www.youtube.com/watch?v=HrILJPQSu_E

DSC00316

DSC00317



Seven of us in our car day for day. The front wheel loses pressure continuously.
We approach Didyma. Walk around the big temple many times.
Apollo. The prophets. We are the called. We are sent on our way. Maybe we have not been ready for our mission. Maybe therefore we need to come along like this – searching and struggling. A challenge for every single one – and also for the entire group.

Not to lose oneself in thousand impressions, in ten-thousand meanings. All these history periods. We travel in Bronze Period, in Greek Antics, in Roman Time, Byzantine Time, Osman Time, in the 20th century. However, every day between Morning Prayer and Evening Prayer, between Benedictus and Magnificat, we are in dialogue. Within all that vagueness the words of the prayers seem to be the most reliable. So many things remain unanswered.
Do not lose yourself when you should listen.

In the same river we step and do not step. Being and not being.
(Oder: On those stepping into the rivers the same other and other water flows.)
Eternal life is a child, playing like a child; the rule belongs to a child (“Die Herrschaft gehört einem Kind”).
The order of those suddenly melt away is for Heraclitus the most beautiful (“Die Ordnung des geratewohl Zeronnenen ist für Heraklit die schönste”)


HERE IN KARAKÖY, at the harbour, with a view on the impressive ship traffic on Golden Horn and on Bosporus. Here perhaps the essentiality could be found. Because you can watch the restaurant owner talking to some passers-by and you do not need to brush him off as burdensome. So, you become part of it. For example a Greek pope appears in his black robe and greets a group of men who all kiss his hand. After a short talk he turns and leaves without greeting. Than you might understand the gazes of the guests in the restaurant, especially of the innkeeper who suddenly joins this group of men and talks sprightly to the left one. Or when a girl passes with a paper bag under her arm. A tiny cat-head peers out of the bag. When I look at it, it opens noiselessly complaining the tiny mouth – than you can twinkle to the girl and she smiles back.

What does all this has to do with the essentiality?
That I do not need three meals a day.
That I sometimes can think three independent thoughts a day. And if not, I can start one or two stories a day and suppose to finish them once, or to connect them in the end.
And that there might be an understanding in the end: “That’s the way it is.”

Why we are not surprised that “the greatness” speaks to us? Why are we so afraid of “the greatness”? Struggling about seats instead of listen to Heraclitus from Ephesus. Maybe he was too insufferable.
How can huge ships passing silently the Bosporus teach you greatness, when you do not watch them while shattering? And how can the temples of this city, when you come after closing time?
Or how can my friend Mete, who guided you through Galata and explained to you the heritage of history, he lives for and fights for alone against the millions-city, so how can my fried Mete teach you, when you look at the time.
Listen: just as I write these words the wharf begins to rock. The arriving ships’ powerful waves move the bounded peer up and down.
The truth is: We were at the BIRTH OF CHRISTIANITY and spoke with the Mother.

http://www.youtube.com/watch?v=HrILJPQSu_E
logo

ferne

Sobald sich aber einer dem Herrn zuwendet, wird die Hülle entfernt. Der Herr aber ist der Geist, und wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit.

2 Kor 16f

Please Leave A Message Here!

Aktuelle Beiträge

Danke dir! Aber schlafen...
Danke dir! Aber schlafen könnt ich immer noch, besonders...
weichensteller - 14. Sep, 21:17
erwachend
Ich wünsch Dir, lieber Schlafkaiser, viele ausgeschlafene,...
offenesherz - 9. Sep, 16:14
Ich Schlafkaiser
Hab ich schon erzählt, welche Gabe des Schlafs ich...
weichensteller - 6. Sep, 09:02
Flüchtlinge
Wie wirken diese lauten, vergnügungssüchtigen Menschen...
weichensteller - 1. Sep, 23:04
Hallo Weichensteller!...
was die höchste Tugend ist, Weisheit, Glaube oder Liebe?...
SCHLAGLOCH - 30. Aug, 12:18

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Status

Online seit 6144 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Aug, 19:44

Credits

Knallgrau New Media Solutions - Web Agentur f�r neue Medien

powered by Antville powered by Helma


xml version of this page
xml version of this topic

twoday.net AGB

Free counter and web stats

Balkan diesmal
Fremdgang
Grund und Boden
Pilgern
Vom Ende und dem Rest der Dinge
Wo alles aus ist
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren